“Damit ein Same seine größte Bestimmung erreichen kann, muss er komplett vergehen. Die Schale bricht auf, sein Inneres quillt heraus und alles verändert sich. Für jemanden, der Wachstum nicht versteht, sieht das aus wie komplette Zerstörung.”
— Cynthia Occelli
Was ist psychische Krankheit?
Um einen selbstbestimmten Weg zu gehen, brauchst du eine Landkarte und eine Idee davon, wo du stehst. Auch wenn du vielleicht denkst, du weißt, was mit dir los ist, so möchte ich doch einige Begriffe klären. Denn nur wer orientiert ist, weiß, wo es lang geht.
Psychische Krankheit ist aus meiner Sicht ein Zustand, in dem ein Mensch nicht mehr gut für sich sorgen kann, kein erfülltes Leben hat oder anderen schadet. Dieser Zustand ist gekennzeichnet durch auffällige Verschlechterungen im Bereich Denken, Fühlen, Informationsverarbeitung, Verhalten oder Ich-Funktionen.
Psychische Krankheiten haben psychologische wie auch körperliche Ursachen. Meistens haben sich diese Hand in Hand über einen längeren Zeitraum ausgebildet oder sind durch eine einschneidendes Ereignis hervorgerufen worden. Sie können auch ohne ersichtlichen Grund plötzlich auftreten.
Je nach Art und Intensität oder Symptome kann man sie bestimmten Diagnosen zuschreiben und sie behandeln.
Mir ist es wichtig, diese grundlegenden Annahmen hier klar zu machen, damit wir wissen, worüber wir sprechen. Denn ich möchte gerne eine Definition finden, die Betroffenen und Anghörigen Orientierung gibt und jenseits von Stigma, Schuld und Druck Aufklärung bietet für einen selbstbstimmten Weg.
Dafür spielt die innere Haltung eine wichtige Rolle. Ja, mit einem Menschen “stimmt etwas nicht”. Das hat persönliche, umweltbedingte wie auch kulturelle Gründe. Und es ist kein Grund sich zu schämen.
Denn aus meiner Sicht sind alle Menschen Lernende in einem Leben, das nie perfekt ist und das sie nie kontrollieren können.
Wir legen in unserer Kultur leider einen großen Wert auf den äußeren Schein, anstatt die wahre Integrität eines Menschen zu betrachten. Doch die ist viel entscheidender für ein glückliches und erfolgreiches Leben, als was man an der Oberfläche beurteilen kann.
Ebenso gehe ich davon aus, dass wir uns als Menschen unser Leben lang weiter entwickeln und wachsen. Wir können immer reifer, weiser, kompetenter werden in den Dingen des Lebens. Und so ist für mich das Auftauchen von Krisen und Krankheiten einfach nur ein Schritt auf dem Weg, den wir eh gehen.
Ich sehe Symptome eher als Hinweisschilder, die uns wichtige Informationen darüber geben, was los ist und was wir tun können, um weiter zu wachsen, unseren Kurs zu korrigieren und letztlich ein erfüllteres Leben zu führen.
Insofern ist es für mich ein natürliches Phänomen, das ich nicht negativ bewerten würde - auch wenn es natürlich erstmal unangenehm ist. Aber anstatt es so schnell wie möglich “weg” haben zu wollen, plädiere ich dafür, Krankheit als ein Rätsel zu betrachten, das gelöst werden möchte. Dieses Rätsel ist sehr individuell und schon sobald du deine Perspektive wechselst, gibt es einen tollen Gewinn: Dich selbst kennen zu lernen.
Daher ist es mir nicht wichtig, ob du eine Diagnose hast oder nicht, sondern eher, ob du die hier zur Verfügung gestellten Informationen für dich nutzen kannst. Und hierfür möchte ich gerne Informationen rund um psychische Erkrankung sammeln und austauschen, die sich zwar an Fachbegriffen orientieren, aber gleichzeitig greifbar sind für die Betroffenen. Dignosen sind gut, solange sie dir helfen, deine Situation zu verstehen und nicht zu einem Sargnagel deiner Eigenständigkeit werden.
Im folgenden spreche ich über vier Faktoren, die dir Orientiereung geben können: Die Bereiche, in denen Symptome auftreten können, die Intensität, mit der sie das Leben beeinflussen, die verschiedenen Ursachen und eine grundlegende Unterscheidung von Mechanismen, wie wir mit ihnen umgehen können.
Du findest eine Kurzbeschreibung der Bereiche direkt auf der Seite und eine längere Ausführung wenn du auf den Button links klickst. Hier findest du auch Reflexionsfragen, anhand derer du deine Situation besser kennenlernen kannst. Es kann sein, dass dieser Bereich für dich wichtig ist oder auch nicht. Vielleicht interessiert dich eines der anderen Themen auf dieser Seite noch mehr.
Wenn du dich fragst, was du tun kannst, wenn du akut in Not bist, wenn du Hilfe suchst im Umgang mit deiner Erkrankung und was du für dich selbst tun kannst, dann klicke hier.
Symptome
Jede psychische Erkrankung hat Symptome, die verschiedene Bereiche des menschlichen Wesens betreffen können. Diese umfassen das Denken, das Fühlen, das Verhalten, die Form der Informationsverarbeitung und die Persönlichkeit. Zusätzlich können psychosomatische oder körperliche Beschwerden auftreten.
Eine Diagnose zu bekommen kann entweder eine Hilfe sein, weil sie vielleicht eine stimmige Reflexion davon ist, was man selbst erlebt. Dann hat man einen Namen, Diagnosekriterien und kann damit arbeiten. Sie kann aber auch fremd wirken und wie übergestülpt. In beiden Fällen halte ich es für wichtig, sich damit auseinander zu setzen. Egal ob man sie am Ende annimmt oder ablehnt, sie kann damit zu Selbsterkenntnis beitragen.
Für mich war und ist es sinnvoll, meine Symptome als einzelne Phänomene selbst zu benennen und die Zusammenhänge zu erkennen. So konnte ich Schritt für Schritt die Situation besser erfassen. Wenn man einfach nur eine Diagnose bekommt und sie hinnimmt, ohne sich damit auseinander zu setzen, dann kann sie zu einer Falle werden. Mit Passivität und Scham zu reagieren kann dazu führen, immer kränker zu werden. Daher gebe ich hier gerne Anregungen für dein eigenes Begreifen deiner Symptome und wie sie zum Gesamtbild der Diagnose führen.
Links findest du einen weiterführenden Text, den du dir anschauen kannst, wo ich über die einzelnen Symptome spreche und Reflexionsfragen notiert habe, die dich in deiner Auseinandersetzung unterstützen können. Du kannst diese auch mit Freunden oder Angehörigen abgleichen oder auch mit deiner Ärztin oder deinem Therapeuten darüber sprechen. Eventuell kommen dadurch neue Aspekte ans Licht, kann eine Diagnose auch korrigiert werden und passende Bewältigungs- und Behandlungsstrategien gefunden werden.
Spektrum
Man kann bei psychischer Gesundheit nicht von einem eindeutigen „krank“ oder „gesund“ ausgehen. Ich verstehe sie eher als ein Spektrum von Befähigung, Lebendigkeit und Erfüllung, auf dem sich alle Menschen irgendwo verorten. Entscheidend für die Einordnung ist, wie funktional oder dysfunktional eine Eigenschaft für den Menschen selbst oder seine unmittelbare Umgebung ist. Das heißt, dass jemand, der einen Lebensstil wählt, der nicht unbedingt „normal“ ist, nicht als krank bezeichnet werden kann, nur weil er sich ungewöhnlich verhält.
Das ist oftmals eine Angst, die Menschen damit verbinden, nicht konform zu gehen mit bestimmten Normen. „Sonst denken die ich bin verrückt“ oder die Angst nicht dazu zu gehören, bewegt viele Menschen, angepasst zu leben an etwas, das ihnen nicht entspricht. Aus dem Schema des Erwarteten auszubrechen kann krankhafte Gründe haben, kann aber auch eine bewusste Entscheidung sein, die zu mehr Lebensqualität führt.
Wichtig ist mir ebenfalls zu benennen, dass für mich das Spektrum nicht zwischen „normal“ und „krank“ verläuft. Nach vielen Jahren der Reflexion und vielfältigen Lebenserfahrungen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass wir einen mittelmäßigen Zustand menschlichen Seins für normal halten. Das heißt, dass ich das Normalsein in der Mitte des Spektrums verorten würde. Das bedeutet, dass der Alltag funktioniert, der Mensch halbwegs glücklich ist und alles okay aussieht. Doch das Maximum an Authentizität, Lebendigkeit, Erfüllung, Individualität und Integrität ist damit noch lange nicht erreicht. Unsere Kultur fördert diese Dinge nur zu einem gewissen Grad, nämlich zu dem Grad, bei dem man gut funktioniert, aber noch nicht zu originell ist.
Daher geht für mich das Spektrum von krank über normal zu optimal. Was ich genau damit meine, habe ich in dem weiterführenden Text genauer aufgeschlüsselt, inklusive Reflexionsfragen, mit denen du dich selbst verorten kannst.
Ursachen
Im Bezug auf die Ursachen von psychischen Erkrankungen ist leider noch vieles unklar. Spätestens seit der Arbeit von Sigmund Freud gehen wir davon aus, dass unverarbeitete Emotionen aus der Vergangenheit sich als irrationale Emotionen und Verhalten in der Gegenwart zeigen können. Die Entwicklungspsychologie kann immer genauer sagen, was ein Mensch in jedem Alter braucht, um sich gesund zu entwickeln. Somit spielen das psychische Erleben im gegebenen sozialen Umfeld eine wichtige Rolle für die psychische Gesundheit noch Jahre oder Jahrzehnte später.
Dem entsprechend gibt es psychotherapeutische Ansätze, die an der Aufarbeitung emotional bedeutsamer Ereignisse aus der Vergangenheit arbeiten, die das nachholende Lernen konstruktiver Verhaltensweisen unterstützen und auch solche, die das soziale Umfeld mit einbeziehen.
Daneben gibt es körperliche Faktoren, die die psychische Gesundheit beeinflussen. Einerseits ist hier noch viel Forschung zu leisten, was die genauen Mechanismen angeht, andererseits gibt es aber schon vielversprechende Erkenntnisse, die wir bereits jetzt nutzen können.
In der Schulmedizin werden für die Manipulation der Hirnchemie körperfremde Stoffe eingesetzt, die ähnlich synthetischer Drogen wirken und ein Ungleichgewicht im besten Fall überdecken können. Dies kann kurzfristig zu positiven Ergebnissen führen, wobei unabhängige klinische Studien leider zeigen, dass der Krankheitsverlauf bei langfristiger Anwendung für Menschen mit Medikamentierung im Schnitt schlechter sind als bei denen, die keine oder nur kurzfristig Medikamente genommen haben.
Daneben gibt es naturheilkundliche Ansätze, die eher an den Ursachen ansetzen. Hierzu zählen Ernährungstherapien, Mittel zur Diversifizierung des Mikrobioms, Mittel zur Unterstützung der Entgiftung und Strategien zur Regeneration von kritischen Körperbarrieren wie der Darmwand und der Blut-Hirn-Schranke. Diese Ansätze wirken systemisch, das heißt sie setzen an kritischen Punkten im Körper an und helfen, die natürliche Funktion zu regenerieren. All diese Faktoren können maßgeblichen Einfluss auf neurologische und psychische Funktionen haben und langfristige Besserung bewirken.
Meiner Meinung nach können psychische Erkrankungen primär von der psychischen oder der körperlichen Ebene her verursacht sein. In jedem Falle aber sind beide Ebenen betroffen und so stark miteinander verwoben, dass eine effektive Behandlung bestenfalls auf beiden Ebenen ansetzt und mit einem breiten Spektrum aller hier genannten Herangehensweisen durchgeführt wird.
Mechanismen
der Behandlung
Es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten für psychische Krankheiten, sowohl auf der psychischen Ebene wie auch auf der körperlichen Ebene. Man kann viel darüber schreiben, was die einzelnen Behandlungen umfassen und wie sie wirken. Interessant - und oftmals entscheidend - finde ich jedoch, die Logik einer Behandlung zu betrachten. Diese ist keiner Methode an sich zuzuschreiben, sondern ist eine „Frage der Art und Weise“, die auch von Situation zu Situation und von Mensch zu Mensch verschieden sein kann.
Ich möchte den Unterscheid verdeutlichen anhand zweier Begriffe, die in meinem Verständnis ein Kontinuum bilden; das heißt zwei Extreme, zwischen denen sich ein Spektrum aus Abstufungen aufspannt.
Die zwei Punkte sind für mich die Begriffe „repressiv“ und „integrierend“. Die repressive Logik folgt den Prinzip, das Unerwünschte zu unterdrücken, um das Erwünschte statt dessen zu etablieren. Die Grundidee hierbei ist, dass etwas nicht seien sollte, wie es ist, und statt dessen anders „gemacht“ werden soll. Die Hebel hierfür sind Druck, Angst, Konditionierung, Verdrängung, Kompensation bis hin zu Gewalt.
Die integrierende Logik funktioniert darüber, dass das Unerwünschte angenommen und Transformation zugelassen wird. Dies beruht auf dem vertrauen, dass das Leben alle heilsamen Mechanismen bereit hält, die es braucht. Diese können aktiviert werden, wenn wir mit dem gehen, was ist und alle Ressourcen zur Verfügung stellen, die es braucht, damit sich die Situation entsprechnd ihrer innewohnenden Wahrheit und ihres Potentials weiterentwickeln kann. Diese Logik beruht auf Gewahrsein, Mitgefühl, Verantwortung und Beziehung.
Beide Logiken haben ihren Wert und ihre Stellung in der Behandlung von Krankheiten. Es ist wichtig, sie erkennen und unterscheiden zu lernen. Letztlich führt nur die integrierende Logik zu Heilung in dem Sinne, das Veränderungen natürlich, mühelos und vollständig geschehen können. Dies kann bei der repressiven Logik nicht geschehen, da die Unterdrückung mit Anstrengung kontrolliert und aufrecht erhalten werden muss und die Ursachen für die Misstände nicht adressiert werden.
Dennoch hat die repressive Logik ihren Stellenwert darin, vorübergehende Entlastung zu schaffen. So zum Beispiel kann die Gabe von Medikamenten vorübergehend einen unerträglichen Zustand abmildern, so lange bis eine integrierende Lösung gefunden ist. Ebenso kann Kontrolle und Disziplin oder auch Ablenkung und Vermeidung hilfreich dafür sein, Symptome abzupuffern, um die Lebensfähigkeit aufrecht zu erhalten während man an einer nachhaltigen Lösung arbeitet. Und ich halte die Anwendung von Zwang bis hin zur Fixierung auf ein wichtiges Instrument, wenn es richtig angewendet wird und notwendig ist, z.B. um einen Suizid abzuwenden.
Es ist jedoch wichtig, eine auf Unterdrückung, Manipulation oder Kontrolle beruhende Lösung nicht für die Heilung einer Krankheit zu halten. Auch wenn kurzfristige “Erfolge” damit erzielt werden können, so treten die Symptome in den meisten Fällen später erneut oder an anderer Stelle auf, wenn die Ursache nicht gelöst ist.
Auch hierzu findest du weiterführende Ideen und Reflexionsfragen, wenn du auf den Button klickst.
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