Was ist hier los?
Deine Symoptome selbst zu erkennen, zu benennen und darüber sprechen zu können ist der erste Schritt in Richtung Selbstermächtigung.
Die Bereiche, in denen Symptome auftreten, unterscheide ich anlehnend and Systematiken der Psychiatrie in Gefühle (affektiv), Gedanken (kognitiv), Verhalten, Informationsverarbeitung, Persönlichkeit und Psychosomatik bzw. körperliche Begleiterkrankungen.
Ich habe unten beispielhaft Symptome aufgelistet. Du kannst die Liste gerne ergänzen um Symptome, die du erlebst, die hier nicht aufgeführt sind. Nimm dir am besten für jeden Bereich ein wenig Zeit und setze dich vielleicht nach ein paar Tagen oder immer wieder mal damit auseinander. Wahrscheinlich fallen dir mit der Zeit noch weitere Symptome oder verschiedene Aspekte davon ein.
Ebenfalls kannst du dir notieren, wann und wo die Symptome auftreten und in welchem Zusammenhang. Dies kann dir helfen, bestimmte Auslöser zu identifizieren und diese zunächst einmal zu vermeiden oder der Ursache auf den Grund zu gehen.
Wenn du denkst, dass einige der Symptome noch nicht mit deinem Arzt besprechen wurden oder auch die Menschen in deinem Umfeld nicht davon wissen, so wäre es vielleicht vorteilhaft, dies mir ihnen zu besprechen. Wenn dir das unangenehm ist, kannst du es vielleicht zunächst mit einer vertrauten oder einer ganz fremden Person (z.B. bei der Telefonseelsorge) besprechen, wenn dir das leichter fällt.
Symptomgruppen haben charakteristische Schwerpunkte bei den jeweiligen Diagnosen, so zum Beispiel sind die Veränderungen der Gefühle dominant bei Depressionen, die Denkstörungen dominant bei Schizophrenien und die Informationsverarbeitung und das Verhalten bei Autismus-Spektum Störungen. Bei komplexen Störungen sind alle Bereiche betroffen.
Gefühle
Mögliche Symptome:
Die Gefühlswelt ist verzerrt, durcheinander, extrem, unzusammenhängend
Gefühle sind abgeflacht oder gar nicht vorhanden, es dominieren Taubheit und Gleichgültigkeit
Gefühle wechseln sehr schnell ohne erkennbaren Grund
Ein Gefühl ist konstant da und lässt kaum Raum für andere Empfindungen
Gefühle sind überfordernd und überkommen aus dem Nichts
Gefühle haben kaum einen oder keinen erkennbaren Zusammenhang mit der Situation
Gefühle sind für andere nicht nachvollziehbar
Gefühle sind schwer oder gar nicht auszudrücken anderen gegenüber
Gefühle treten im Zusammenhang mit unangenehmen Körperempfindungen auf
Mögliche Auswirkungen:
Beziehungen sind unstet und von Widersprüchen gekennzeichnet
Es fällt schwer, vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen
Die Bewältigung von Beruf oder Alltag sind eingeschränkt oder unmöglich
Beispiele: Depression, Angststörungen oder affektive Abflachung bei einer Schizophrenie
Gedanken
Mögliche Symptome:
Formale Denkstörungen:
Verlangsamtes oder beschleunigtes Denken
zerfahrendes Denken
umständliches Denken
eingeengtes Denken
Grübeln
Gedankenabreißen
Gedankensprünge
Gleichzeitigkeit von verschiedenen Ideen
Inhaltliche Denkstörungen:
Zwangsgedanken (Gedanken, Impulse und Vorstellungen, die sich wiederholt aufdrängen und als unsinnig und unangenehm empfunden werden)
Wahn (Überzeugung, die für einen Menschen absolut gewiss ist, allerdings inhaltlich falsch)
Übersteige Idee (eine Vorstellung, die das Leben so sehr bestimmt, dass das alltägliche Leben vernachlässigt wird)
Störungen des Alltagsdenkens (lebenspraktische Gedanken aufnehmen, beibehalten, selektiv wichtige Inhalte wahrnehmen und einbeziehen und Handeln bis das Denkziel erreicht ist)
Mögliche Auswirkungen:
Schwierigkeit, sich zu konzentrieren
Schwierigkeit, Gespräche zu führen
Schwierigkeit, im Alltag oder Beruf logisch und effketiv zu handeln
(Extremes) Unwohlsein, weil Sinnzusammenhönge nich terkannt werden können
Verhalten
Mögliche Symptome:
Aggressives Verhalten sich selbst oder anderen gegenüber
Als existenziell empfundene Abhängigkeit von einzelnen Personen (Co-Abhängigkeit)
Gravierend störendes Verhalten ohne erkennbaren/erklärbaren Grund
Extreme Zurückgezogenheit, soziale Isolation
Impulsives Handeln mit negativen Konsequenzen
Unfähigkeit, den Alltag zu bewältigen
Gestörte, gewaltsame, unerfüllende Beziehungen
Grundloses gefährliches Verhalten
Impulsives und gedankenloses sexuelles Verhalten
Extreme Selbstkontrolle oder Aufopferung, die die eigene Lebensfähigkeit einschränkt
Selbstverletzung
Kriminelles Verhalten
Zwanghaftes Verhalten
Substanzmissbrauch
Essstörungen
Katatones Verhalten (fast totale Erstarrung, Unfähigkeit zu sprechen oder sich zu bewegen oder stereotype Bewegungen, die nicht unterbrochen werden können)
Tics (kurze, sich wiederholende, unwillkürliche Bewegungen)
Mögliche Auswirkungen:
Ein unerfülltes, chaotisches, von Krisen geplagtes Leben
Ein extrem kontrolliertes/konformes Leben, das unerfüllend ist
Unter Umständen ein erfolgreiches Leben, das jedoch nicht auf Integrität beruhgt
Schwierige, gewaltvolle, instabile Beziehungen
Informations-verarbeitung/
Aufmerksamkeit
Mögliche Symptome:
Halluzinationen (auditiv/Hören, visuell/Sehen, taktil/Berührung spüren, Riechen)
übermäßige Empfindlichkeit oder Unempfidlichkeit gegenüber Geräuschen, Gerüchen, Licht/visuellen Eindrücken und Berührung
Konzentrationsschwierigkeiten/Aufmerksamkeitsstörungen
Unfähigkeit Sinn und Zusammenhänge zu erkennen, die für das Führen von Beziehungen, kulturelle Teilhabe und Lebensbewältigung wichtig wären
(quasi) epileptische Anfälle
Bewusstseinstrübung
Dissoziation
Mögliche Auswirkungen:
Schwierigkeit, Realität wahrzunehmen und sich über Realität zu verständigen
Isolation, sich nicht verständlich machen können
Sehr unangenehme Empfindungen auf Grund von “sensorischem Chaos”
Ständige Überforderung, Rückzug
Geringe Toleranz gegenüber Situationen, die andere als normal wahrnehmen
Persönlichkeit
Mögliche Symptome:
Inkongruente und lückenhafte oder einseitig ausgeprägte Ich-Struktur
Unklares oder einseitiges Selbstbild (sehr negativ oder sehr positiv, extrem wechselhaft oder widersprüchlich oder kaum vorhanden)
Ideen von sich selbst, die zu Aggression sich selbst oder anderen gegenüber führen können
Fehlen oder eingeschränkte Selbstwahrnehmung
Mangelndes Gefühl für „Stimmigkeit“ sich selbst und anderen gegenüber
Mangelndes Bewusstsein für die Auswirkungen des eigenen Handelns
Mögliche Auswirkungen:
Schwierigkeiten Beziehungen aufzubauen und aufrecht zu erhalten, produktiv und kreativ zu sein, passende Lebensumstände zu schaffen und sich in einer Gemeinschaft einzubringen
Psychosomatik
Mögliche Symptome:
Verdauungsbeschwerden
Hautausschläge/Juckreiz/unreine Haut
Kopfschmerzen
Schlafstörungen
Unruhe
Niedergeschlagenheit/Erschöpfung
Atemprobleme
Psychosomatische Lähmung
Spannungszustände
Chronische Schmerzen
Verspannungen
Skurrile, unangenehme, einschränkende Körperhaltung
Mögliche Auswirkungen:
Eingeschränkte Lebensqualität
Schwierigkeit, alltägliche Handlungen auszuführen
Reflexion
Welches sind deine Symptome, wenn du sie mit deinen eigenen Worten beschreibst?
Welchen Bereichen sind sie hauptsächlich zuzuordnen?
Passt das zusammen mit der Beschreibung deiner Diagnose?
Wirft diese Reflexion Fragen auf, die du mit deinem behandelnden Arzt besprechen möchtest?
Wie kannst du diese Reflexion für dich nutzen, um selbstbestimmt und ehrlich mit deinen Einschränkungen umzugehen?
Möchtest du vielleicht Freunde oder Angehörige fragen, welche Symptome sie wahrnehmen und diese mit deiner Selbstwahrnehmung abgleichen?