Was ist psychische Krankheit?
Krankheit entsteht nicht ohne Grund. Sie will dir etwas sagen. Sie ist deine ganz persönliche Schatzkarte für ein erfülltes Leben. Bist du bereit, auf Schatzsuche zu gehen?
Krankheit und Gesundheit sind ein Spektrum, auf dem sich alle Menschen befinden und das, was wir „normal“ nennen, ist meiner Meinung nach irgendwo in der Mitte. Denn auch die normalen Menschen können noch viel lernen, nicht zuletzt stecken wir kollektiv in so vielen Krisen, dass wir gefordert sind, ein ganz neues Miteinander zu entwickeln. Und ich denke, darin könnten die Menschen, die durch eine psychische Krankheit ganz besonders aufgefordert sind, ihr Leben in Einklang mit ihrem inneren Wesen und ihrem Umfeld zu bringen, solche die Heilung finden in einer verrückten Welt, eine wichtige Rolle spielen.
Bei dem Wort Krankheit kann man schnell denken, dass sie aus dem Nichts kommt und man auch nichts machen kann, außer sie irgendwie in den Griff zu bekommen. Gegen Krankheiten wird gekämpft oder man ist ihnen ohnmächtig gegenüber.
All diese Dinge meine ich nicht, wenn ich von Krankheit spreche. Sie kommt nicht von ungefähr, sondern hat definierbare Ursachen und Prozesse, auch wenn sie so komplex sind, dass wir sie nicht alle verstehen können. Psychische Krankheiten haben sowohl psychische, als auch körperliche Ursachen, die oftmals beide parallel behandelt werden müssen, um gute Resultate zu erzielen.
Obwohl die Krankheiten Ursachen haben, halte ich nichts davon, von Schuld zu sprechen. Einerseits liegen viele Ursachen in der Kindheit, in der wir so gut wie keinen Gestaltungsspielraum hatten. Zweitens sind wir davon so konditioniert, dass es auch im späteren Leben unheimlich schwer ist, von dem abzuweichen, wie wir das Leben als Kinder kennengelernt haben. Und, was soll es auch bringen von Schuld zu sprechen und zu beschämen? Noch mehr Schmerz.
Und trotzdem halte ich es für wichtig, ganz genau zu benennen, was funktioniert und was nicht. Im Denken, Fühlen und Handeln gibt es Gesetzmäßigkeiten, an denen man messen kann, was Bedürfnisse erfüllt und was nicht, was einem selbst und anderen Schmerzen bereitet und was nicht, wie schmerzhafte Emotionen und Traumata heilen können, wie erfüllende Beziehungen funktionieren. All das ist relevant für das Thema, über das wir hier sprechen. Und es ist entscheidend für eine Genesungsprozess.
Unter Heilung verstehe ich, dass die Funktionen von Psyche und Körper hergestellt oder wieder hergestellt werden. Und dafür ist es wichtig, zu wissen, wo man steht. Ich selbst empfinde präzises und nüchternes Feedback als enorm hilfreich dafür, meinen Weg zu gehen.
Und wenn dieses Feedback nicht mit verallgemeinerten Diagnosen und Schubladendenken einher geht, ohne Stigma, Schuld und Ausgrenzung gegeben wird, dann ist es befreiend und enorm wertvoll. Denn mir ist nicht geholfen, wenn alle so tun, als wäre schon alles okay, wenn es das nicht ist.
Deshalb möchte ich nicht den Schritt machen, den Begriff der Krankheit zu vermeiden und dysfunktionale Phänomene zu verharmlosen. Wobei hier natürlich auch wahr ist, dass in der Psychiatrie auch häufig krisenhafte Erfahrungen pathologisiert werden, die völlig natürlich sind.
Was ich mir wünsche ist, klare Maßstäbe dafür zu haben, was funktioniert und was nicht, und einfühlsames Feedback zu geben, das allen Beteiligten hilft, zu lernen, zu wachsen und Verantwortung zu übernehmen.
Heilung ist in meiner Definition die (Wieder-) Herzstellung von körperlichen und psychischen Funktionen, das heißt ein tiefes, authentisches Lernen und Wachsen aus dem heraus, was nicht funktioniert. Dazu kann es gehören, für eine Zeit auch Symptome herunter zu regulieren, aber solange dies zum Beispiel mit Hilfe von Medikamenten getan wird, ist in meinen Augen noch keine Heilung erreicht.
Heilung ist, sich selbst zuhören zu lernen und zu versehen, was der Körper und die Seele meinen. Denn sie tun nicht ohne Grund weh. Quelle des Schmerzes sind unerfüllte Bedürfnisse, vielleicht hunderte, tausende, abertausende. Sie sind gut verpackt, mit Schmerz umhüllt und wir gehen ihnen am liebsten nur noch aus dem Weg. Doch sie werden nicht aufgeben, dich darum zu bitten, sie zu hören. Und zu fühlen. Dein Unterbewusstsein ist stärker als dein Denken, dass das alles so nicht sein soll. Und das ist gut so. Denn sonst würdest du die abgespaltenen Anteile von dir nie wieder finden. Der Schmerz ist der seidene Faden, an dem sie hängen. Wenn du ihn in einem heilsamen Rahmen bewusst fühlen kannst, dann packst du damit die Päckchen aus und findest: dich selbst.